Recyceln ist gut, länger nutzen ist besser

Laurenz Ginat und Aurel Greiner verkaufen mit wachsendem Erfolg gebrauchte Computer und iPhones

Von Benno Brunner

Basel. Als Schüler waren Laurenz Ginat und Aurel Greiner fasziniert von den neusten Technologien. Doch sie konnten sie sich oftmals nicht leisten. Ihr Ausweg aus dem Dilemma: «Wir haben auf ricardo.ch Occasionen gekauft, die etwas günstiger waren, dennoch wie neu aussahen», sagt der 23-jährige Ginat. Er nutzte die Internetplattform auch, um etwas zu verkaufen: «Mein erstes Laptop war ein weisses MacBook, das ich neu gekauft habe. Dieses habe ich später aufgerüstet und mit fast kei- nem Verlust wieder verkauft», erinnert sich Ginat.

Daraus liess sich ein Geschäftsmo- dell entwickeln. Ginat und Greiner haben gebrauchte Computer gekauft, geprüft, gereinigt und wenn nötig aufgerüstet – etwa die alte Festplatte ersetzt durch eine schnellere SSD (mit Flash-Speicher) oder den Arbeitsspei- cher erhöht. Wie es geht, lernten die beiden mit Youtube-Videos. So aufgefrischt und zum heutigen Standard aufgewertet, haben sie die Computer wieder zum Verkauf angeboten.

Ginat und Greiner wurden mit ihrem «Business» immer geschickter. Sie flickten Geräte, die nicht mehr funktionierten, und machten aus zwei defekten ein funktionsfähiges. «Oft war es auch nur ein Softwareproblem, oder es waren Viren, die den Computer zum Absturz brachten. Wir haben System-Software und Programme von Grund auf neu installiert, und schon liefen die Kisten wieder», berichtet Ginat.

Die beiden kannten sich von der Rudolf-Steiner-Schule in Aesch. Nach den zwölf Jahren obligatorischer Schulzeit trennten sich zunächst ihre Wege. Ginat machte die Matur in Basel. Greiner absolvierte ein Zwischenjahr mit Praktika, die er für sein vorgesehenes Studium für erneuerbare Energien absolvieren musste. Dann ging er weiter zur Schule, um die Matur zu erwerben. Nebenbei handelte er mit Computern.

«Da sagte mir ein Lehrer: Entscheiden Sie sich für etwas und machen Sie es richtig: die Matur oder der Handel», berichtet der 26-jährige Greiner. Da war ihm der Weg klar: Er verliess die Schule und gründete im Mai 2013 mit einem Kollegen den Internethandelsplatz revendo.ch. Der Partner stieg später wieder aus, um den Doktor zu absolvieren. Dafür stiess Ginat nach seiner Matur dazu.

600 iPhones von der Polizei

In dieser Zeit las Greiner in der Zeitung, dass die Kantonspolizei Bern neue iPhones anschaffen wollte. «Wir fragen sie, was mit den alten Geräten passiert. Sie wollten sie verschrotten! Wir konnten sie überzeugen, dass es sinnvoller ist, sie weiterzuverwenden. Wir gaben ihnen die Garantie, dass wir alle Daten sicher löschen.» So konnten sie 600 Geräte kaufen, reparieren und wieder verkaufen, was dazumal eine riesige Menge war. «Es war unser Schritt in die Handy-Welt.»

«Dazumal arbeiteten wir an einem Tisch in einem Grossraumbüro im Unternehmen Mitte. Dort haben wir unsere Website programmiert», erzählt Greiner. «Das ist immer besser gelaufen. Immer öfter kamen die Kunden direkt zu uns ins Büro. Es wurde immer lauter, sodass wir die anderen Mieter im Grossraumbüro störten. Uns wurde klar, dass wir auch einen Laden brauchten, damit die Leute die Geräte anfassen und anschauen können.»

2014 konnte Revendo an der Güterstrasse den ersten Shop eröffnen. Er befindet sich gleich hinter dem Apple- Premium-Reseller IngenoData – auch heute noch. «Wir arbeiten auch mit Ingeno zusammen. Sie machen ihre Kunden darauf aufmerksam, dass sie ihr altes Gerät an uns verkaufen können», sagt Greiner.

Bereits ein halbes Jahr später eröffnete die Firma einen Shop in Zürich, 2016 wechselten sie neben den Zürcher Hauptbahnhof und eröffneten je einen Laden in Dietikon und in Bern. «Wir hätten nie gedacht, dass wir so schnell ausbauen würden», erklärt Greiner. Ginat ergänzt: «Wir wollen weitere Shops eröffnen und unser Geschäft ausbauen, auch ans Ausland haben wir bereits gedacht. Unser Ziel ist es, so bekannt zu werden wie zum Beispiel ricardo.ch».

Hundert Geräte pro Tag

Die Voraussetzungen sind gut: In der Schweiz wird ein Handy im Durchschnitt nur rund zwei Jahre benutzt und dann durch ein moderneres ersetzt. «Das ist etwas, was wir nicht verhindern können, aber wir können das alte Gerät wieder in Umlauf bringen, anstatt es in der Schublade verstauben zu lassen.» Auch Firmen schreiben die Geräte oft schon nach drei oder fünf Jahren ab. «Dann sind Computer und Handys immer noch sehr gut für Normalverbraucher verwendbar», erklärt Ginat. «Vor allem wenn wir die Speicher aufrüsten oder den Akku ersetzen».

Ihre Käufer seien Kunden, die nur das kaufen, was sie auch wirklich brauchen, Einsteiger und solche, die nachhaltig leben wollen. «Am Anfang fanden es in meinem weiteren Freundeskreis viele seltsam, etwas Gebrauchtes zu kaufen. Heute finden es viele clever und verstehen den Nachhaltigkeits-Gedanken», sagt Ginat.

Schulen sind ebenso froh um die günstigen Occasionen. Mit dem gleichen Budget können sie so doppelt so viele Computer kaufen.

Die Firma selber arbeitet auf iMacs des Modelljahrs 2011, die aufgerüstet wurden: «Die genügen bei Weitem, sie sind fast so schnell wie neue Macs, kosten aber nur halb so viel», sagt Greiner.

Die Büros und Läden von Revendo sind einfach eingerichtet: Die Macs und iPhones werden auf alten Paletten und SBB-Kisten präsentiert. Im Berner Shop steht ein ausgedienter Schiffscontainer. Nachhaltigkeit ist Greiner wichtig: «Wir machen etwas für die Umwelt, ohne an das Gewissen zu appellieren. Wir geben den Leuten sogar noch Geld. So profitieren alle – die Kunden, unsere Firma und die Umwelt», sagt Greiner. Ihr Motto: «Recycling ist gut, längere Nutzung ist besser.»

Dabei sind die Jungunternehmer modern eingerichtet: In jedem Büro und Laden gibt es eine Live-Kamera. «Auf dem Bildschirm sehen wir so immer, wer gerade vor Ort ist. Die anderen sehen natürlich auch, wo wir sind», führt Greiner aus.

Die beiden Geschäftsleiter befinden sich oft im Büro. Oft arbeiten sie sechs Tage die Woche und bis Mitternacht. Sie entwickeln ihr Firmensystem weiter, denken neue Marketingstrategien aus, diskutieren Personalentscheide. «Wir lernen auch heute noch ständig», berichtet Ginat. «Learning by doing!» heisst ihre Devise. Sie machen alles allein, haben keine Management-Ausbildung, keinen Götti, der sie berät, keine Fremdfinanzierung. Dabei können sie sich unterdessen auf erfahrene Mitarbeiter stützen. «Wir haben klein angefangen, mit einem Stammkapital von 20 000 Franken. Auf meinem ersten Lohnausweis betrug die Summe 12 000 Franken für das ganze Jahr», sagt Greiner. Die Firma war vom ersten Tag an rentabel, was sie verdienten, wurde wieder investiert. «Wir wollen so weiterwachsen, nicht zu schnell, ohne Druck – und Herr im Haus bleiben.»

Heute beschäftigt das Unternehmen 30 Mitarbeiter und verarbeitet rund hundert Geräte pro Tag. Mehr als 2000 Geräte sind an Lager – vom alten iPhone 4 bis zum aktuellen MacPro.

Eher zu wenig Geräte

Die Firma konzentriert sich in ihrem Geschäft auf Geräte der Marke Apple. Das habe mehrere Gründe, erläutert Greiner: 1. Die Preise sind stabil, die Entwertung kleiner als bei anderen Marken. 2. Die Geräte sind qualitativ hochwertig. 3. Macs und iPhones sind in der Schweiz überdurchschnittlich verbreitet. 4. Die Produktpalette ist überschaubar. 5. Die Geräte arbeiten während Jahren zuverlässig. 6. System und die wichtigsten Programme sind im Gerätepreis inbegriffen. Greiner und Ginat überlegen sich jedoch, ob sie hochwertige Android- Smartphones ins Sortiment aufnehmen sollen.

Bei der Preisfestlegung richtet sich Revendo nach Angeboten auf anderen Internetplattformen. «Am Anfang mussten wir Erfahrungen sammeln. Heute haben wir eine Formel, die den Verkäu- fern und Käufern auf der Internetseite sofort den Preis ausrechnet», sagt Ginat.

«Zurzeit sind wir auf der Suche nach gebrauchten iPhones und Computern, wir haben eher zu wenig», fährt Ginat fort. Greiner ergänzt: «Millionen Geräte liegen nur rum und werden nicht mehr gebraucht, unsere Aufgabe ist es, diese Geräte wieder in Umlauf zu bringen.»

Auch die iPhones der beiden Chefs sind Occasionen, allerdings relativ neue. Greiner gibt denn auch zu: «Wir sind schon Technik-Freaks, können aber warten.» Beim iPhone 7 mussten sie sich immerhin zwei bis drei Tage gedulden, bis die ersten Occasions-Handys eintrudelten, die sie sich sofort geschnappt haben. Zwei bis drei Tage? «Vielleicht kaufte jemand ein silbernes, wollte dann aber doch ein schwarzes, oder der Speicher reichte nicht», sagt Greiner, «es gibt viele Möglichkeiten, weshalb jemand sein Handy so bald wiederverkauft.»

baz-interview

3 comments On Recyceln ist gut, länger nutzen ist besser

  • Guter Artikel, gute Geschäftsidee! Jetzt würde es doch gut zu dieser Vorreiterrolle passen, wenn die Firma auch noch Menschen mit Behinderung, die trotz Handicap und kleinen Stellenprozenten ihren Beitrag leisten wollen, eine Arbeitsmöglichkeit geben würde, da wäre der Kreis der guten Geschäftsidee, der Vorreiterrolle und der Nachhaltigkeit wohl noch besser geschlossen! Schade, dass es in der CH leider noch keine Quotenregelung wie z.B. in Deutschland gibt und solange die jungen Leute hier selber nicht mal auf der Seite eines Menschen mit Behinderung gestanden haben, werden Sie es wohl kaum nachvollziehen können oder wollen, wie es leider viele CH-Firmen tun. Dies passt nunmal leider eben nicht zu so einer tollen Geschäftsidee!

    • Wir zählen uns immer noch zu einer jungen Firma, die noch im Aufbau tätig ist und haben noch keine geeigneten Leute, die in dieser Hinsicht Erfahrung haben. Nachdem wir bereits Versuche gestartet haben mit integrierten Arbeitsplätzen mussten wir leider feststellen, dass für beide Parteien es noch nicht zufriedenstellend war. Dadurch mussten wir uns entscheiden vorerst darauf zu verzichten, bis wir geeignetes Personal mit Erfahrung mit IV Menschen haben.

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