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Im Kampf gegen die Wegwerfgesellschaft

Drei Basler Geschäfte setzen es sich zum Ziel, die Abfallberge zu reduzieren.

Irgendwann in ihrer Schulzeit fiel es Laurenz Ginat (22) und Aurel Greiner (25) auf: Im Kollegen- und Bekanntenkreis verstauben massenweise bestens funktionierende iPhones und Laptops in den Schubladen. Das störte sie, deshalb unternahmen sie etwas dagegen. Statt sich wie viele ihrer Kollegen in ein Studium zu stürzen, entschlossen sich die beiden Steiner-Schüler, Unternehmer zu werden. Ginat und Greiner fingen an, gebrauchte Apple-­Geräte anzukaufen, zu prüfen, aufzurüsten und anschliessend wieder mit Garantie zu verkaufen. Kurz gesagt: Sie setzen sich für die Wiederverwendung und den Abbau von Abfallbergen ein. Damit sind sie in Basel nicht alleine. Die beiden Jungunternehmer stehen für einen «No waste»-Trend, der in Basel um sich greift. Die BaZ hat drei Geschäftsideen aufgespürt, die sich gegen die Wegwerfgesellschaft wehren.

Bereits ein Jahr nach der Gründung ihres Unternehmens mit dem eingängigen Namen revendo.ch (Wiederverkaufen) eröffneten Ginat und Greiner ihre erste Filiale an der Güterstrasse im Gundeli. Seitdem haben die beiden schweizweit über 18 000 Kunden von ihrem Konzept überzeugt, sodass sie noch vor Weihnachten in Bern die Eröffnung ihrer vierten Filiale feiern konnten.

«Unser Ziel ist es, möglichst viele unbenutzte Apple-Geräte wieder in Umlauf zu bringen und so die Ressourcen zu schonen», sagt Ginat.

Schaut man sich im Revendo-Shop an der Güterstrasse um, fällt auf, dass sich das Prinzip der Wiederverwendung durch das gesamte Ladendesign zieht. Die schicken Apple-Geräte werden auf alten Paletten und ausgedienten SBB-Kisten präsentiert. «Für den Shop in Bern haben wir sogar einen alten Schiffscon­tainer aufgetrieben», sagt Ginat.

Mit seinem Konzept bekämpft revendo.ch einen aktuellen Missstand. In der Kehrichtverwertungsanlage Basel werden pro Jahr 840 Tonnen Elektroschrott, der fälschlicherweise in Bebbi-Säcken entsorgt wurde, verbrannt. Das besagt eine Erhebung zur Kehrichtzusammensetzung aus dem Jahr 2012. Um die Recyclingquote zu steigern, verschickt das Amt für Umwelt und Energie regelmässig Sammelsäcke für kleine Elektrogeräte. Einen viel grös­seren Teil als der Elektroschrott machen die weggeworfenen Lebensmittel aus. 15 Prozent des Bebbi-Sack-Inhalts sei sogar kein Abfall, sondern noch essbare Lebensmittel, teilt das Amt für Umwelt und Energie mit. Schweizweit wird rund ein Drittel aller produzierten Lebensmittel weggeworfen.

Zweite Chance für Backwaren

Die Betreiber des «Backwaren-Outlets» sind der Meinung, dass es sich lohnt, diese Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen. Vor rund einem Jahr eröffneten Berto Dünki (62) und Ursula Moser (58) direkt gegenüber dem Bahnhofeingang Gundeldingen einen kleinen Laden, in dem Backwaren eine zweite Chance bekommen.

Fünf- bis sechsmal pro Tag fährt der Fahrer des Outlets zu den Bäckereien der Region, um das überproduzierte Gebäck, das sonst im Abfall landen würde, abzuholen. «Ich war anfangs etwas skeptisch wegen der Qualität», sagt Rolf Quensel, ein Kunde des Outlets und gelernter Koch. «Aber die Waren schmecken sehr gut. Es gibt nichts zu bemängeln.»

Die Regale und Vitrinen im Laden sind gut gefüllt und die Auswahl ist vielfältig. Allein 40 verschiedene Marmeladensorten führt das Backwaren-Outlet zurzeit. Damit geben sich die Geschäftsführer nicht zufrieden. «Unser Ziel ist es, möglichst allen Bäckereien der Region ihr überproduziertes Gebäck abnehmen zu können, ohne dabei selbst etwas wegzuwerfen», sagt Dünki.

Neben den ökologischen Bemühungen engagieren sich die Gründer des Backwaren-Outlets sozial. Dünki, der ursprünglich aus der Architekturbranche kommt, hat schon Schulen und Unternehmen gegründet, und das, ohne etwas wieder schliessen zu müssen. Die Initianten selbst arbeiten ehrenamtlich für den Laden und bieten vor allem Menschen eine Jobmöglichkeit, die sonst Mühe hätten, sich in der Arbeitswelt zu integrieren. «Wir sind hier ein sozialer und kultureller Schmelztiegel, jeder ist willkommen», sagt Dünki.

Basel unverpackt

Gegen die Wegwerfgesellschaft wehren sich auch die Initianten von «Basel unverpackt» und der «Abfüllerei». Laut dem Statistischen Amt entstanden im Jahr 2015 allein in den Basler Privathaushalten über 31 000 Tonnen Abfall. Der grösste Teil besteht aus Verpackungsmaterial. Basel unverpackt und die Abfüllerei sind Projekte, die einen Lebensmittelladen wollen, in dem Waren ohne Verpackungen verkauft werden. Als Konkurrenten sehen sich die Projektgruppen nicht. «Wir begrüssen sehr, dass die Idee sich verbreitet und Basel hoffentlich bald die Möglichkeit bietet, unverpackt einzukaufen, auch an mehreren Standorten. Unser Hauptanliegen ist, dass die Läden nicht im selben Quartier eröffnet werden», sagt Ronny Jäger (37) von Basel unverpackt.

Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen Nathalie Reinau (28), Hugo Hanbury (28) und Andrea Zwygart (53) ist er der Meinung, der beste Abfall sei derjenige, der gar nicht produziert wird. Mit ihrem Projekt stehen die vier noch in den Startlöchern, werden ihren ersten Laden aber voraussichtlich im Frühjahr eröffnen.

In dem Geschäft sollen Kunden biologische und regionale Produkte in ihre mitgebrachten Gläser, Taschen und Boxen abfüllen können, um so lästigen und umweltschädlichen Abfall zu reduzieren. «Kunden können auch Behälter im Laden kaufen, sodass spontane Einkäufe möglich sind», sagt Reinau. Obst und Gemüse wollen die vier direkt von regionalen Bauernhöfen beziehen.

Ausserhalb der Ladenöffnungszeiten will das Team die Ladenfläche für Workshops und Seminare anbieten, um die Idee des unverpackten Einkaufens zu verbreiten. «Es geht uns um eine ökologische Bewegung, nicht nur ums Geschäft», sagt Ronny Jäger.

Für die Finanzierung hat Basel unverpackt eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. «Realistisch gesehen brauchen wir für das erste Jahr 140 000 bis 180 000 Franken», sagt Jäger. Wenn über Crowdfunding nicht genügend Startkapital geschöpft werden kann, wollen die vier auf ihr Erspartes zurückgreifen und Stiftungen anfragen. Seit November haben bereits über 1460 Personen an einer Umfrage auf ihrer Facebook-Seite teilgenommen.

Die Abfüllerei hat bereits über 12 000 Franken über Crowdfunding gesammelt. Das Interesse an unverpacktem Einkaufen ist also gross. «Eigentlich ist es merkwürdig, dass es in Basel noch keinen solchen Laden gibt», sagt Reinau. «Die Stadt ist reif für solche Ideen.» (Basler

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